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Untersuchungshaft

Haftgrund kann durch bestimmte Anweisungen ausgeräumt werden

Informieren Sie sich über die Voraussetzungen der Anordnung und Regelungen zum Vollzug von Untersuchungshaft.

Nach obenGrundsätzliches, Voraussetzungen

Untersuchungshaft bedeutet die Unterbringung eines Beschuldigten in einer speziellen (Abteilung einer) Justizvollzugsanstalt. Die Untersuchungshaft dient ausschließlich dazu sicherzustellen, dass der Beschuldigte in der Hauptverhandlung anwesend ist und das Hauptverfahren durchgeführt werden kann. Unter bestimmten Voraussetzungen bei schwerwiegenden Delikten kann sie auch dazu dienen, eine Wiederholungstat zu vermeiden.

Von der Untersuchungshaft ist die vorläufige Festnahme zu unterscheiden. Dabei handelt es sich um eine vorläufige Ingewahrsamnahme des Beschuldigten, die durch die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungsbeamte angeordnet werden darf. Sie darf nur bis zum Ende des der Festnahme folgenden Tages, maximal also knapp 48 Stunden, dauern. Spätestens danach ist der vorläufig Festgenommene der Ermittlungsrichterin bzw. dem Ermittlungsrichter zur Entscheidung über die Anordnung der Untersuchungshaft vorzuführen oder zu entlassen.


Die Anordnung, eine Person in Untersuchungshaft zu nehmen (der sog. Haftbefehl), darf allein von einem Gericht erlassen werden. Im Ermittlungsverfahren ist dafür die Ermittlungsrichterin bzw. der Ermittlungsrichter zuständig, nach Erhebung der öffentlichen Klage das mit dieser Klage befasste Gericht.

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Nach obenVoraussetzungen der Anordnung

Erste Voraussetzung ist, dass der Beschuldigte der ihm zur Last gelegten Straftat in hohem Maße verdächtig ist. Dieser dringende Tatverdacht bedeutet einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass dem Beschuldigten die schuldhafte Begehung der Tat nachgewiesen werden kann. Dabei ist zu bedenken, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der ersten Haftentscheidung meist erst ein vorläufiger Erkenntnisstand vorliegt. Der dringende Tatverdacht ist während der Dauer der Untersuchungshaft von Amts wegen stets aufs Neue zu prüfen, so dass er beispielsweise entfallen kann, wenn ein glaubwürdiger Zeuge das Alibi des Beschuldigten bestätigt hat.

Weiter ist ein Haftgrund erforderlich. Dieser ist eine formelle Haftvoraussetzung. Dazu gehören die Flucht, die (auf konkret festgestellten Tatsachen beruhende) Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr, also die Gefahr, dass der Beschuldigte mit dem Ziel der Beweiserschwerung oder -vereitelung Beweismittel beiseiteschaffen oder Zeugen beeinflussen will. Betrifft der dringende Tatverdacht bestimmte Delikte, beispielsweise Sexualdelikte, ist die Anordnung von Untersuchungshaft unter weiteren engen Voraussetzungen auch bei Wiederholungsgefahr zulässig. Schließlich sind die Schwere der Tat (§ 112 Abs. 3 StPO) und die sog. Hauptverhandlungshaft (§ 127b StPO), die nur eine Woche andauern darf und in der Praxis zunehmende Bedeutung erlangt, zu nennen.

Erscheint ein Beschuldigter trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Hauptverhandlung, so gestattet § 230 Abs. 2 StPO unabhängig vom Vorliegen eines dringenden Tatverdachts und eines Haftgrundes die Anordnung der Untersuchungshaft.

Bei sämtlichen sogenannten Haftarten ist stets das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Die Anordnung der Untersuchungshaft darf zur Schwere der Tat und zu Art und Umfang der dem Beschuldigten drohenden Rechtsfolgen nicht außer Verhältnis stehen. Aus diesem Grunde kommt die Anordnung von Untersuchungshaft im Bereich der Bagatell- und Kleinkriminalität in der Regel nicht in Betracht.

In formeller Hinsicht setzt die Anordnung der Untersuchungshaft voraus, dass der bereits festgenommene Beschuldigte dem Gericht vorgeführt und Gelegenheit erhalten hat, sich diesem gegenüber zur Beschuldigung und den Haftgründen zu äußern. Bei einem bereits flüchtigen Beschuldigten ist dieser spätestens am Tag nach der Ergreifung dem Gericht, das den Haftbefehl erlassen hat - oder, falls dies wegen der Entfernungsverhältnisse nicht möglich ist, dem Richter oder der Richterin des nächsten Amtsgerichts -, vorzuführen, damit die Anhörung erfolgen kann.

Nach obenVollzug der Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft wird regelmäßig in einer besonderen Untersuchungshaft-Vollzugsanstalt oder zumindest in einer besonderen Abteilung einer allgemeinen Justizvollzugsanstalt vollzogen.

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Nach obenUnterbringung während der Untersuchungshaft

Bei der Durchführung der Untersuchungshaft darf der Untersuchungsgefangene nur solchen Einschränkungen unterworfen werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordern. Grundsätzlich gilt der Untersuchungsgefangene als unschuldig und ist daher so zu behandeln, dass nicht der Anschein entsteht, er würde zur Verbüßung einer Strafe festgehalten (§ 1 Abs. 1 UVollzG NRW). Deswegen darf der Untersuchungsgefangene beispielsweise seine eigene Kleidung tragen oder sich Verpflegung von einem (vertrauenswürdigen) Restaurant bringen lassen. Über den Freiheitsentzug hinausgehende Beschränkungen dürfen ihm nur dann auferlegt werden, wenn dies zur Abwehr der Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich ist (§ 119 StPO) oder wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt unerlässlich ist (§ 1 Abs. 3 UVollzG NRW). Nur für die erstgenannten Beschränkungen ist ein sog. Beschränkungsbeschluss des Haftrichters erforderlich, während die übrigen Beschränkungen durch die Justizvollzugsanstalt angeordnet werden.

Nach obenBriefkontrolle

Eine Briefkontrolle findet seit der Reform des Haftrechts Anfang 2010 grundsätzlich nur noch dann statt, wenn dies durch den Richter zur Abwehr der Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr ausdrücklich angeordnet worden ist. Ansonsten dürfen Untersuchungsgefangene Schreiben empfangen und auf eigene Kosten absenden (§ 16 UVollzG NRW).

Nach obenBesuche

Ein Untersuchungsgefangener darf grundsätzlich Besuche empfangen (§ 17 Abs. 1 UVollzG NRW); eine richterliche Besuchserlaubnis ist nur dann nötig, wenn dies durch den Richter zur Abwehr der Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr ausdrücklich so angeordnet worden ist. Der Besuch kann aber nach wie vor aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt akustisch und optisch überwacht werden (§ 17 Absatz 9 UVollzG NRW i. V. m. § 20 StVollzG NRW).

Nach obenHaftverschonung

Ein Haftgrund kann durch bestimmte Anweisungen ausgeräumt werden.

Beispielsweise kann die Fluchtgefahr dadurch verringert werden, dass dem Beschuldigten aufgegeben wird, sich in bestimmten zeitlichen Abständen (das kann einmal wöchentlich, aber auch zweimal täglich bedeuten) bei einer Polizeidienststelle zu melden, den Wohn- oder Aufenthaltsort nicht zu verlassen und seinen Reisepass abzugeben. Hinzukommen kann noch die Leistung einer Sicherheit (Kaution), die verfällt, wenn der Beschuldigte beispielsweise Fluchtvorbereitungen ergreift oder den ihm auferlegten Pflichten und Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt. Diese Haftverschonung und auch deren Widerruf werden durch den Richter angeordnet.

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Nach obenrechtliche "Sicherungen"

Der Untersuchungsgefangene kann jederzeit richterliche Haftprüfung beantragen oder Haftbeschwerde gegen den Haftbefehl erheben. Dem Beschuldigten ist, wenn er noch keinen Verteidiger hat, bereits im Rahmen der Vorführung vor Gericht zur Entscheidung über die Haft unverzüglich von Amts wegen ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

Hat die Untersuchungshaft sechs Monate gedauert, prüft das Oberlandesgericht im Verfahren der besonderen Haftprüfung von Amts wegen, ob die weitere Dauer der Untersuchungshaft gerechtfertigt ist und ob das Verfahren bisher mit der bei Haftsachen gebotenen Beschleunigung durchgeführt wurde. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, hebt das Oberlandesgericht den Haftbefehl auf. Erhält es ihn aufrecht, erfolgt diese Prüfung erneut in Abständen von weiteren höchstens drei Monaten.