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Urteilsverkündung im Beisein der ehrenamtlichen Richter

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter

Mitwirkung stärkt das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung

Verwaltungsgerichtsbarkeit, ehrenamtliche Richter und Richterinnen.

Nach obenGrundsätze

In Nordrhein-Westfalen wirken ehrenamtliche Richterinnen und Richter sowohl bei den Verwaltungsgerichten als auch beim Oberverwaltungsgericht an der Rechtsprechung mit. Die rechtlichen Grundlagen ihrer Tätigkeit sind in §§ 19 - 34 VwGO geregelt. Ihre Mitwirkung stärkt das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung. Diese kann nur dann lebendiger Teil der Gesellschaft sein, wenn sie für die Bürgerinnen und Bürger verständlich ist. Hierzu leisten ehrenamtliche Richterinnen und Richter einen hervorragenden Beitrag. Sie bringen außer-rechtliche Erfahrungen und Überlegungen in den Entscheidungsprozess ein und zwingen die Berufsrichterinnen und Berufsrichter, die Richtigkeit ihrer Erkenntnisse und die Überzeugungskraft ihrer Argumente auch an diesen Einwendungen zu messen.

Nach obenWahl der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter werden von einem Wahlausschuss, der aus dem Präsidenten bzw. der Präsidentin des Verwaltungsgerichts (Oberverwaltungsgerichts), einem von der Landesregierung bestimmten Verwaltungsbeamten und sieben vom Landtag gewählten Vertrauensleuten besteht, jeweils auf fünf Jahre aus Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte gewählt. Der Präsident bzw. die Präsidentin des Verwaltungsgerichts (Oberverwaltungsgerichts) bestimmt die erforderliche Zahl von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern, und zwar derart, dass voraussichtlich jeder höchstens zu zwölf ordentlichen Sitzungstagen im Jahr herangezogen wird. Besondere Sach- oder Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter müssen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sollen das 25. Lebensjahr vollendet und ihren Wohnsitz innerhalb des Gerichtsbezirks haben.

Nach obenAusschließungs- und Hinderungsgründe

Von dem Ehrenamt ist ausgeschlossen, wer infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt oder gegen den Anklage wegen einer Tat erhoben worden ist, die den Verlust dieser Fähigkeit zur Folge haben kann, ferner, wer wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist, schließlich, wer nicht das Wahlrecht zu den gesetzgebenden Körperschaften des Landes besitzt. Personen, die in Vermögensverfall geraten sind, sollen nicht zu ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern berufen werden.

Zu ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern können wegen des Prinzips der Gewaltenteilung Angehörige bestimmter Personengruppen nicht berufen werden. Es sind dies Mitglieder des Bundestages, des Europäischen Parlaments, der gesetzgebenden Körperschaft eines Landes, der Bundesregierung oder einer Landesregierung; Richterinnen und Richter; Beamtinnen und Beamte sowie Angestellte im öffentlichen Dienst, soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind; (Berufs-)Soldatinnen und Soldaten auf Zeit; Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Notarinnen und Notare sowie Personen, die fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig besorgen.

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter sind grundsätzlich zur Übernahme des Amtes verpflichtet. Die Berufung in dieses Amt kann nur ausnahmsweise abgelehnt werden. Dazu sind Angehörige folgender Personengruppen berechtigt: Geistliche und Religionsdiener; Schöffinnen und Schöffen sowie andere ehrenamtliche Richter/-innen; Personen, die zwei Amtsperioden lang als ehrenamtliche Richterinnen und Richter bei Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit tätig gewesen sind; Ärztinnen und Ärzte, Krankenpfleger/-innen, Hebammen; Apothekenleiter, die keinen weiteren Apotheker beschäftigen; Personen, die die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht haben. In besonderen Härtefällen (z. B. Gebrechlichkeit) kann außerdem auf Antrag von der Übernahme des Amtes befreit werden.

Die Entscheidung trifft der hierfür zuständige Senat des Oberverwaltungsgerichts. Er entscheidet auch in den Fällen, in denen ein ehrenamtlicher Richter bzw. eine ehrenamtliche Richterin nach Übernahme der Tätigkeit vor Ablauf der Amtszeit von seinem bzw. ihren Amt zu entbinden ist, weil Ausschluss-, Hinderungs-, Ablehnungs- oder sonstige im Einzelnen in § 24 VwGO genannte Gründe vorliegen.

Wer als ehrenamtliche Richterin oder ehrenamtlicher Richter gewählt ist, sollte dem Verwaltungs- bzw. Oberverwaltungsgericht umgehend mitteilen, wenn ein Ausschluss- oder Hinderungsgrund vorliegt oder ein solcher nachträglich eingetreten ist.

Nach obenZuteilung und Vereidigung

Das Präsidium des Verwaltungsgerichts (Oberverwaltungsgerichts) bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres die Reihenfolge, in der die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter zu den Sitzungen herangezogen werden. Für die Heranziehung von Vertretern bei unvorhergesehener Verhinderung kann eine Hilfsliste aus ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern aufgestellt werden, die am Gerichtssitz oder in seiner Nähe wohnen. Diese Festlegungen erfolgen ebenso wie die allgemeine Verteilung der Geschäfte und die Zuweisung der Berufsrichterinnen und Berufsrichter an die einzelnen Spruchkörper deshalb, um für das Geschäftsjahr im Voraus nach allgemeinen und abstrakten Kriterien den gesetzlichen Richter zu bestimmen.

Vor Beginn ihrer Tätigkeit werden die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in öffentlicher Sitzung des Gerichts durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden vereidigt. Die Vereidigung gilt für die Dauer des Amtes. Bei einer Wiederwahl ist eine erneute Vereidigung nicht erforderlich, wenn sich die weitere Amtsperiode unmittelbar anschließt. Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter leisten den Eid, indem jeder Einzelne die Worte spricht:

"Ich schwöre, die Pflichten eines ehrenamtlichen Richters getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, getreu der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und getreu dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe."

Der Eid kann auch ohne die Worte "so wahr mir Gott helfe" geleistet werden. Wenn ehrenamtliche Richterinnen und Richter aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wollen, legen sie ein entsprechendes Gelöbnis ab.

Nach obenTätigkeit im Ehrenamt

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter sind in gleichem Maße wie Berufsrichterinnen und Berufsrichter unabhängig und nur Gesetz und Recht unterworfen. Sie sind in ihrem Richteramt an Weisungen nicht gebunden. Oberste richterliche Pflicht ist die Unparteilichkeit. Richterinnen und Richter dürfen sich bei der Ausübung ihres Amtes nicht von Zu- oder Abneigung gegenüber den Beteiligten beeinflussen lassen. In ihrem äußeren Verhalten müssen sie alles vermeiden, was geeignet sein könnte, bei anderen Personen Zweifel an ihrer Unparteilichkeit zu erwecken. Zu eigenen Ermittlungen (Zeugenvernehmungen, Ortsbesichtigungen usw.) sind sie nicht befugt.

Die ehrenamtlichen Richterinnen und ehrenamtlichen Richter üben ihr Richteramt mit dem gleichen Stimmrecht wie die Berufsrichterinnen und Berufsrichter aus und tragen in gleicher Weise für die Entscheidung Verantwortung. Sie entscheiden gemeinschaftlich mit den Berufsrichterinnen und Berufsrichtern.

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter wirken an allen während der mündlichen Verhandlung zu erlassenden Entscheidungen des Gerichts mit. Die Vorsitzende oder der Vorsitzende hat ihnen auf Verlangen zu gestatten, zur Sache gehörende Fragen an die Prozessbeteiligten, die Zeugen oder die Sachverständigen zu stellen. Eigentlicher Schwerpunkt ihrer Mitwirkung ist die gemeinsame Beratung des Falles. Die Beratung ist geheim. Dies bedeutet, dass auch die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter über den Gang der Beratung und die abschließende Abstimmung Außenstehenden gegenüber striktes Stillschweigen zu bewahren haben.

Nach obenTeilnahme an Sitzungen

Die für den jeweiligen Sitzungstag bestimmten ehrenamtlichen Richter sind "gesetzliche Richter" im Sinne des Grundgesetzes. Sie dürfen daher der Sitzung, zu der sie geladen sind, nur aus zwingenden Gründen fernbleiben. Bei Verhinderung ist es unerlässlich, dass verhinderte ehrenamtliche Richter nach Erhalt der Ladung die Geschäftsstelle umgehend schriftlich unter Angabe der Gründe verständigen. Bei kurzfristiger Verhinderung ist dies darüber hinaus sofort vorab fernmündlich oder per Telefax mitzuteilen.

Gegen ehrenamtliche Richterinnen und Richter, die sich ohne genügende Entschuldigung zu der Sitzung nicht oder nicht rechtzeitig einfinden oder die sich ihren Pflichten in anderer Weise entziehen, kann ein Ordnungsgeld bis zu 1.000.- EUR festgesetzt werden. Zugleich können ihnen die durch ihr Fehlverhalten verursachten Kosten auferlegt werden. Bei nachträglicher genügender Entschuldigung kann die Entscheidung ganz oder teilweise zurückgenommen werden.

Nach obenAusschließung vom Richteramt in einem konkreten Verfahren

Kraft Gesetzes ist eine ehrenamtliche Richterin oder ein ehrenamtlicher Richter - wie jeder Richter - in folgenden Fällen von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen:

1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;

2. in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;

2a. in Sachen seiner Lebenspartnerschaft, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;

3. in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;

4. in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;

5. in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;

6. in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszuge oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;

7. in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in den beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;

8. in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

Entsteht bei den Beteiligten eines Verfahrens der Eindruck, eine Richterin oder ein Richter - gleich ob beruflich oder ehrenamtlich tätig - sei bereits festgelegt oder sonst wie voreingenommen, so können sie diese Amtsperson wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Über das Gesuch entscheidet die Kammer oder der Senat grundsätzlich unter Hinzuziehung eines neuen Richters bzw. einer neuen Richterin anstelle der abgelehnten Person. Hat der Antrag Erfolg, so ist diese von der weiteren Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen. Ein solcher Beschluss kann auch ergehen, wenn nur die Richterin oder der Richter selbst Zweifel an ihrer bzw. seiner Unvoreingenommenheit in einem bestimmten Verfahren äußert. Solche Umstände sind dem Gericht unverzüglich anzuzeigen.

Nach obenAufwandsentschädigung

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter  erhalten als Entschädigung Fahrtkostenersatz, Entschädigung für Aufwand, Ersatz für sonstige Aufwendungen, Entschädigung für Zeitversäumnis, Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung sowie Entschädigung für Verdienstausfall nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Die näheren Einzelheiten ergeben sich aus §§ 5 - 7 und 15 - 18 JVEG. Für die Geltendmachung werden bei den Gerichten Antragsformulare vorgehalten. Sollten in diesem Zusammenhang Fragen bestehen, wird dort individuelle Hilfestellung geleistet. Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht binnen drei Monaten geltend gemacht wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG). Die Frist beginnt mit der Beendigung der Amtsperiode (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 JVEG).

Wichtig! Ehrenamtliche Richterinnen und Richter müssen die Entschädigung für Verdienstausfall versteuern. Die Entschädigung für Zeitversäumnis ist dagegen nicht zu versteuern (Bundesfinanzhof, Urteil vom 31. Januar 2017 - IX R 10/16 -).

Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 31.01.2017 externer Link, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab